Exposé zu "Und sag nicht, dass die Sonne scheint" Die Kinder sind aus dem Haus, die berufliche Stellung ist etabliert. Ein neues Leben, mit mehr Zeit für die eigenen Bedürfnisse und Hobbies, beginnt. – So hatte ich mir mein Leben vorgestellt und schon Pläne gemacht, sparte auf ein Sabbatjahr an. Endlich die Reisen machen, die bislang aus den unterschiedlichsten Gründen nicht möglich gewesen waren, für die im stressigen Berufs- und Familienalltag bisher zu wenig Raum geblieben war. Es kommt alles anders. Nach dem Tod meiner Mutter engagiert mein Vater eine Haushälterin. Diese Maßnahme entlastet meine beiden Schwestern und mich in Bezug auf die Alltagstätigkeiten wie Putzen, Einkaufen, Kochen. Was bleibt, ist die Sorge, wie der Vater seinen übrigen Alltag meistert. Krankheit und Schmerzen machen mürbe, schlecht gelaunt. Darüber reden? Fehlanzeige. Er ist der Vater und wir sind die Töchter, seine Kinder. Basta. Die kurzen Episoden, die ich unter dem Titel "Und sag nicht, dass die Sonne scheint" zusammengefasst habe, beleuchten schlaglichtartig alltägliche Vorkommnisse, deren manchmal auch komische Seite ich oft erst im Erzählen und Niederschreiben entdeckte. Wie geht man mit einem Vater um, der plötzlich zu einem bösen alten Mann wird, der schlecht gelaunt, schimpfend in seinem Sessel sitzt, dem man nichts recht machen kann, der vehement darauf beharrt, alles selbst zu machen, alles zu kontrollieren, der sich nicht helfen lassen will? Die Persönlichkeitsveränderung des Vaters im Zusammenhang mit seiner schleichenden Demenz wird für uns Töchter zu einer echten Herausforderung. Der Vater wird unberechenbar. An manchen Tagen ist er richtig aufgeräumt, erkundigt sich nach den Enkeln, freut sich über den Besuch. An anderen Tagen wiederum ist er kaum ansprechbar. Darf man Gefühle wie Wut und Ärger, Auflehnung und Ablehnung zulassen? Darf man sie gar äußern? Wie weit geht die Kindespflicht? Wo bleiben Liebe und Zuneigung? Wie den Respekt vor einem Vater wahren, der diesen Respekt scheinbar nicht mehr verdient? Sollten wir ihn entmündigen lassen, um mehr Einfluss nehmen zu können, um fatale Entscheidungen des Vaters zu verhindern? Oder doch eine Betreuungsvollmacht erwirken, wie ein Arzt uns einmal riet. Durch das Schreiben gelang es mir schließlich, Distanz zu diesen oft schwierigen Situationen zu erlangen. Von diesem Widerstreit der Gefühle, dem Ringen um Achtung vor dem eigenen, stetig hinfälliger werdenden Vater, der plötzlich oft so fremd war, der Auseinandersetzung mit Schuldgefühlen, handeln die sechzehn kleinen Geschichten. Die einzelnen Geschichten sind zwar chronologisch geordnet, so dass sich der fortschreitende Verfall meines Vaters in ihnen widerspiegelt. Die Geschichten können aber auch jede für sich gelesen werden und lassen sich, wie in einem Kaleidoskop, immer wieder zu neuen Mustern zusammensetzen. Es gibt Menschen, vor allem Frauen, die ihr eigenes Leben, gar ihre eigene Existenz aufgeben, um ganz für die pflegebedürftigen Eltern zur Verfügung zu stehen. Die vorliegenden Geschichten wollen all denen, die Angehörige pflegen, Mut machen, auch an sich selbst zu denken, ihr eigenes Leben weiter zu leben, Freundschaften zu pflegen, sich nicht immer für alles verantwortlich zu fühlen, sich ohne ein schlechtes Gewissen Auszeiten zu nehmen. Dann können auch, trotz Frust und Leid, schöne Momente der Nähe entstehen, in denen man gemeinsam lachen und sich über Kleinigkeiten freuen kann.
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